Der Clown als Begleiter

Der Clown als Begleiter

Seit 30 Jahren bringe ich als Clown und als Clownlehrer in meiner Schule für Clowns die Menschen zum Lachen, oder zeige Ihnen den Weg, wie sie andere zum Lachen bringen. Wenn Du diesen Weg beschreiten willst, hast Du die Hälfte schon zurückgelegt, wenn Du Dich selber zum Lachen bringst. Lachen braucht keinen Anlass. Ganz im Gegenteil gerade dann, wenn es nichts zum Lachen gibt, ist das Lachen am wichtigsten.

Träumen wir nicht alle davon Probleme mit Humor zu meistern, anstatt uns festzubeißen, abzubrechen und letztlich am Konflikt zu scheitern? Aber mit dem Humor ist es wie mit den Lieblingsbrötchen beim Bäcker. Dann, wenn man sie sich am meisten wünscht, sind sie gerade ausgegangen. Dazu kommt, dass wir uns genau dann, wenn wir uns selber am meisten brauchen, verlassen. Der Volksmund sagt dazu: Wir sind aus dem Häuschen und stehen neben uns. Viel besser wäre es, wenn wir in der Krise unseren Selbstkontakt bewahren und aus der unsere Mitte heraus handeln könnten. Deswegen zielt die Kunst des spielerischen Scheiterns darauf ab, ein Gefühl für die eigene Mitte zu bekommen.

Wir können unsere Angst vor Problemen und unseren Stress bei Konflikten nicht intellektuell meistern. Auch nicht durch gut gemeinte Ratschläge und Leitsätze. Das ist so, wie wenn Sie zu einem Schauspieler sagen: Stell mir mal Angst dar! Solange der Schauspieler keinen Zugang zu seinem Körper und seinen Gefühlen hat, bleibt sein Spiel immer Fassade. Angst ist ein Körpergefühl. Um es darzustellen muss man es spüren. Und genauso gehen wir vor, wenn wir die Angst lösen und meistern wollen. Der Weg zum authentischen Ausdruck und zum Meistern der Gefühle führt deshalb:

Von innen nach Außen

Ich möchte Dich einladen, diesen Weg mit mir zu gehen. Damit wir uns auf den teilweise verschlungen Pfaden nicht verirren, möchte ich Dir eine Art Roadmap an die Hand geben, den ich die 5 Räume des Lachens nenne:

Stell Dir vor, wir betreten ein unbekanntes Land. Dort finden wir zu einem abenteuerlichen Schloss mit 5 großen Räumen. In jedem der Räume finden wir ein Geheimnis, das uns erlaubt den nächsten Raum zu betreten, bis wir schließlich das ganze Schloss in Besitz genommen haben und zum König in unserem eigenen Reich gekrönt werden.

Nach alter Manier braucht man als König natürlich auch einen Narren. Und den gebe ich Dir auch gleich noch mit.

Der Clown als Begleiter

Der Clown, als alte Weisheitsfigur fungiert als Begleiter auf unserem Weg durch die 5 Räume des Lachens. Das Besondere daran ist, dass uns der Clown auf allen Wegen immer wieder zum Lachen bringt. Er lädt uns dazu ein, die Dinge spielerisch zu betrachten und anzugehen. Auch wenn uns in schwierigen Situationen das Lachen zuweilen im Halse stecken bleibt, steht uns der Clowns zur Seite. Indem er zum Lachen bringt, bringt er uns aber auch zum Nachdenken. Er spiegelt uns in hervorragender Weise, wie wir immer wieder, an den von uns selber geschaffenen Umständen, scheitern. Durch seine exzentrische Gestalt und sein groteskes Auftreten zeigt er uns, wie man aus dem Gleichgewicht geraten kann. In seinen viel zu großen oder zu kleinen Hosen und Schuhen führt er uns vor wie es aussieht, wenn die Verhältnisse buchstäblich hinten und vorne nicht stimmen. Natürlich zwickt und zwackt es überall und schließlich bleibt der Clown hängen und stolpert. In der gleichen Weise spiegelt er uns, wie wir als Menschen in unseren Alltag mit unseren großen und kleinen Problemen und in Beziehungen verhalten. Hin und her gerissen zwischen Sehnsucht und Vorwurf entlarvt der Clown unsere individuellen Verhaltensweisen und zwischenmenschliche Beziehungsmuster.

Durch die Perspektive des Clowns, sind wir eingeladen in längst vergessene Welten einzutauchen, wo man mit naiver kindlicher Betrachtung und unverletzter Lust am Spielen mit allem verbunden war, was einem gerade über den Weg gelaufen ist. Die spielerische Betrachtung von eigentlich schwierigen Situationen und Beziehungsmustern und den damit zusammenhängenden Bedürfnissen, Wünschen und Konflikten ermöglicht es uns den Umgang Problem und Beziehungskonflikte als Impuls zu verstehen. Mit Humor kreiert man Raum und Verständnis für die wesentlichen Zusammenhänge ohne sich an oberflächlichen Konflikten festzubeißen.

 

Um zu verstehen, was es heißt mit Humor die Dinge in den Fluss zu bringen, möchte ich Dich  zunächst auf eine Reise zu den Ursprüngen der archaischen und universellen Gestalt des Clowns einladen. Dort findet man die Figur des Tricksters, der in den archaischen Riten und Zeremonien dem Schamanen zur Seite stand, wenn es darum ging magische Handlungen durch Späße aufzulockern und auf diese Weise mit der gegenwärtigen, realen Welt zu verbinden. Umgekehrt hatte er die Funktion, den eingefahrenen Tagesablauf immer wieder so durcheinander zu wirbeln, dass der Kontakt zur magischen Welt erhalten blieb. In schwierigen Zeiten hatten die Trickster oder die Koshare die Funktion, den Stamm auf seinen Wanderwegen zu ermutigen und zwischen den Welten des Jenseits und der irdischen Ordnung zu vermitteln. Dabei traten sie zugleich als Fürsprecher des Stammes bei den Göttern ein. Als „inspired mad men“ forderten sie durch widersinniges Verhalten, wie umgekehrt auf dem Pferd sitzen, rückwärtsgehen oder durch plötzliche verrückte Einfälle dazu auf, das Unbekannte in jeder Ebene zu wagen. Sie wechselten ständig ihre Gestalt, um alle Möglichkeiten und Bereiche des Daseins auszudrücken. Sie rühmten die Qualität der scheinbaren Unordnung und pendelten durch ambivalentes In-Frage-Stellen zwischen dem tief verwurzelten Wirklichkeitsbezug des Stammes und der Welt der Götter hin und her. Die archaische Figur des Clowns hatte von jeher die Funktion eines Mittlers zwischen den Welten. Auch bei Stammesstreitigkeiten fungierter er als hintergründiger Spiegel der bestehenden Verhältnisse. Durch groteske Auftritte brachten sie die mitunter nicht weniger absurden Umstände auf den Punkt, in dem sie gleichzeitig die Menschen zu Lachen brachten. Mit dem Lachen löst sich die Angst, der Schock und das sture Beharren auf der eingefahrenen Position.

 

Denn wer lacht, kann nichts festhalten.

 

In dem Moment des Lachens öffnet sich die zugeschlagene Tür. Zumindest für einen Augenblick besteht die Möglichkeit, durch den Türspalt eine andere Sicht der Dinge wahrzunehmen. In gleicher Weise unterbrach der sogenannte gelotopoios (wörtlich: „Lachen-Machers“) in der griechischen Antike, die zuweilen zu ernsten philosophischen Symposien der griechischen Denker durch ungehobelte Witze, parodierende Imitationen und burleskes Nachmachen um sie aufzulockern und zu entspannen. In dieser Tradition steht auch das aus dem Orient stammende Narrentum. Zwischen dem 12. und 18. Jahrhundert war der Narr in den Höfen der Fürsten und Könige beheimatet. Seine Blütezeit in Europa erreichte er im 15. Jahrhundert. Fürst und Narr verband eine geheimnisvolle Wechselbeziehung. Der Hofnarr verkündete Wahrheiten, die sich sonst keiner zu sagen getraute und bildete umgekehrt einen Puffer für mögliche Streitigkeiten bei Hofe, indem er aufkeimende Aggressionen auf sich selbst umlenkte oder ins Harmlose zog. Die Funktion des Hofnarren bestand darin reale Konflikte in Spaß aufzulösen und gleichzeitig so zu vermitteln, dass sein König ohne Gesichtsverlust reagieren konnte. Das Lachen trug damit dazu bei, möglichen Ärger aufzufangen und ein Gemeinschaftsgefühl zu kreieren. Der Narr übernahm so eine entladende Funktion und trug gleichzeitig zur Stabilisierung der Verhältnisse bei. In gewisser Weise war der Humor in dem Duo König und Narr noch auf zwei Schultern verteilt. Der Narr ermöglichte dem Herrscher eine vom engen höfischen Reglement abweichende Sichtweise, und umgekehrt konnte sich der Narr sein provokantes Gehabe nur unter die schützende Hand des Königs erlauben.

 

Auch heute noch signalisiert die rote Nase eine Art Nebenrealität die uns Clowns ein Verhalten erlaubt, für das wir ansonsten möglicherweise recht unangenehm zur Rechenschaft gezogen werden würden. Übertrieben Späße und Witze können auflockern aber auch brüskieren. Der Grat zwischen Erkenntnis und Verletzung ist oft sehr schmal. Aus diesem Grund überlassen es Clowns, Komikern Comedians und Kabarettisten immer ihrem Zuschauer ob sie über den Clown oder sich selbst lachen möchte. Vor allem wenn man sich angegriffen fühlt, tut Lachen besonders gut, wenn es um andere geht. In diesem Fall bietet sich der Clown gerne als Projektionsfläche an. Diese Position fällt ihm nicht sonderlich schwer, weil er sich von je her jenseits der üblichen Moral und Zuweisungen von Richtig und Falsch bewegte. Sobald Humor belehrend wird, verliert er seine eigentliche Wirkung. Deshalb hat Humor auch immer etwas subversives, hintergründiges, anarchistisches aber gleichzeitig Mitfühlendes.

 

 

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