Die Kunst in den Schuhen des anderen zu gehen

Die wirksamste und gleichzeitig einfachste Methode jemand zu verdeutlichen, dass man ihn verstanden hat, ist zu wiederholen, was er gesagt hat. Und wenn Du wirklich wissen willst wie es ihm geht, dann probiere doch einfach mal aus, wie der andere die Füße voreinander setzt. Indem Du sprichwörtlich die Haltung und Einstellung deines Gegenübers nachzuvollziehen kannst, entsteht Kontakt durch gegenseitiges Verstehen.

Die Imitation ist die erste, älteste und einfachste Methode mit einander in Kontakt zu kommen. Auf diese Weise sich kennenzulernen macht Spaß, braucht aber auch Humor.

Wir erleben oft das Gegenteil: Wie andere unbeeindruckt an ihren Sichtweisen und Standpunkten festhalten. Ein spielerischer Wechsel der Positionen scheint unmöglich. Woran liegt das?

Solange Du befürchten musst, den Kontakt zu Dir selber zu verlieren, wenn Du auch mal in den Schuhen des anderen herumläufst, ist es verständlich warum Du lieber den alten bekannten Tretern treu bleiben möchtest. Umgekehrt kannst Dir aber auch sicher vorstellen, was es für den Anderen bedeuten kann, wenn Du mal durch seine Brille die Welt betrachtest.

Trotzdem musst keine Angst davor haben, dich dabei selber völlig aufzugeben. Es sind doch immer noch Deine Augen, die da durch eine fremde Brille schauen.

Es macht auch einen Unterschied ob man jemanden imitiert oder kopiert. Deswegen spreche ich bei meiner Clownmethode auch bewusst von Imitation und nicht von einer Kopie.

Die Imitation erlaubt jedem seine individuelle Note. Doch verwechsle die Imitation nicht mit einer Parodie. Mit dieser Form der tendenziellen Übertreibung, beabsichtigt ein Clown die Dinge zum Kippen zu bringen. Und das hat eine ganz andere Bedeutung und auch eine ganz andere Funktion – gehört also nicht hierher.

Im ersten Raum des Lachens, den wir als Clown im Zusammenspiel betreten geht es um die Stärkung der Selbstausdrucks, der Stabilität und des Vertrauens bei sich selber und beim anderen.

Dabei wirkt nichts so nachhaltig, als sich direkt an die "Innere Resonanz" zu wenden. Was das bedeutet und warum die Imitation dabei eine so große Rolle spielt, möchte ich Dir jetzt beschreiben

Oft fühlen sich Menschen unverstanden, weil ihr Gegenüber nicht deutlich zu erkennen gibt, dass er nachvollzieht um was es ihnen geht. Noch bevor überhaupt Zeit und der Raum gelassen wird, dass sich ein Gefühl und ein Ausdruck entfalten kann, beginnt der andere schon damit, eigene Erfahrungen und Argumente vorzutragen. Ich nenne solche Momente "Ping-Pong". Weil die Begegnung dann mehr einem Schlagabtausch gleicht und der Ball schon zurückgeschlagen wird, bevor er fühlbar und nachvollziehbar angenommen wurde. Diese Art der Kontaktverschwendung ist sowohl für den Partner als auch für den Zuschauer unerträglich und schlussendlich langweilig, weil dadurch kein wirkliches Spiel entstehen kann.

Ein wirkliches Zusammenspiel baut zum einen auf einen klaren Impuls und zum anderen auf ein Gegenüber auf, der den Impuls sichtbar und fühlbar annimmt. Wenn das der Fall ist, erleben die beteiligten Kommunikations- und Spielpartner ein Gefühl von Resonanz. Eine Art Widerhall bei einem selbst und beim anderen. Das garantiert, dass wir uns gehört und auch verstanden fühlen können. Ich nenne das, sich direkt an die "Innere Resonanz wenden". Auf diese Weise unterstützt und stärkst Du Deinen eigenen und die Impulse Deines „Spielpartners“. Besonders dann, wenn es darum geht dein Gegenüber so zu spiegeln, dass man seine Impulse wahrnimmt und dann darin bestärkst, dass die von ihm ausgesendeten Impulse auch Wert genug sind, sie ins Spiel einzubringen.

Indem Du Deinen Partner stärkst, stärkst Du das Zusammenspiel und die damit auch Impulse, die zu Dir zurückkommen.

Am deutlichsten erleben wir die Resonanz im Zusammenspiel, wenn die äußere Reaktion, bei einem selber und beim anderen deckungsgleich mit dem inneren Impuls übereinstimmt. Dann kann sich der spielerische Impuls voll entfalten. Daraus entsteht ein wirkliches Zusammenspiel von dem alle Beteiligten getragen werden und profitieren können. Und das kann man mit der Clownmethode lernen und unterstützen.

Egal in welchen Zusammenhängen ich als Clown auftrete, als Lehrer und als Dozent tätig bin, oder wenn es darum geht die Mitarbeiter meiner Schule so zu motivieren, dass sie selbstständig und erfolgreich für das Unternehmen tätig werden, in allen Fällen wende ich mich immer zunächst an die "innere Resonanz" um die Basis für eine kreative Zusammenarbeit zu legen.

Das gegenteilige Vorgehen überlädt den anderen sofort mit Vorschlägen, Vorgaben, Zielen und Ergebniserwartungen. Damit reduzierst Du Dein Gegenüber darauf Deinen Wünschen und Vorstellungen zu entsprechen und musst darüber hinaus ständig kontrollieren ob der andere auch genau macht was Du vorgibst.

Viellicht kennst Du auch dieses Gefühl, dass die anderen sich nur bedienen lassen und alles an Dir hängt. Nicht selten hängt genau diese Vorstellung mit dem Verhalten zusammen, dass wir die Impulse der anderen nicht registrieren oder ignorieren, weil sie nicht in das Konzept passen. Da muss man sich nicht wundern, wenn kein Zusammenspiel entsteht und schon gar nicht Kreativität, Impulse und Innovationen erwarten.

Ein guter Partner ist ein selbstbewusster Partner, der seine eigenen Impulse wahrnimmt und darauf vertraut. Und genau hier kann der Clown mit seinem Spiel wirksam werden.

Besonders wenn Du als Clown in Kliniken oder Altenheimen auftreten oder beruflich im sozialen Umfeld tätig bist, kannst Du Menschen begegnen die unter einem schwachen Selbstkontakt leiden, verwirrt, ängstlich oder sehr eingeschüchtert sind. Doch auch in anderen Situationen. Da wo Menschen durch Stress oder durch eine besonders schwierige Aufgabenstellung Gefahr laufen, den Selbstkontakt zu verlieren. Hier macht es Sinn spielerisch darauf einzuwirken, dass dein Gegenüber schnell wieder den Kontakt zu sich selber findet.

Das gelingt Dir am einfachsten, wenn Du einfach nur wahrnimmst und bestätigst, was der andere in diesem Moment erlebt. Du brauchst dafür keine Worte. Oft es genügt es den körperlichen und emotionalen Zustand nachzuvollziehen. Je stärker Du dich in das Erleben des anderen einfühlen kannst, umso deutlich fühlt sich Dein Gegenüber verstanden.

Es kann aber auch Sinn machen auf der sprachlichen Ebene einzusteigen, indem Du einfühlsam genau wiederholst, was der oder die andere sagt. Vermeide dagegen unbedingt lange, ausufernde verbale Bekundungen deiner Anteilnahmen und beginne schon gar nicht irgendwelche Diskussionen. Damit ziehst Du dem anderen nur wieder Energie ab und verstärkst den Selbstverlust. Nicht selten erntest Du dann auch noch entsprechende defensiven Reaktionen.  

Ich erinnere mich einen Bericht von Clownschülern, die einen Auftritt im Altenheim absolviert haben und überaus frustriert darüber waren, dass die alten Leute dasaßen und überhaupt nicht reagiert haben. Obwohl sie ein tolles Stück vorgetragen haben, hat das kaum jemand wahrgenommen und entsprechend honoriert. In der gemeinsamen Reflexion konnten wir herausfinden, dass viele der Altenheimbewohner gar nicht mehr in der Lage waren, sich auf eine derartige Aufführung einzulassen oder von dem zuweilen etwas turbulenten Auftreten der Clowns sogar verschreckt wurden. Bei Ihrem nächsten Besuch haben sich die Clowns einfach zu den alten Menschen hingesetzt und sich Zeit gelassen, um zu spüren wo die gerade mit Ihrer Aufmerksamkeit waren. Oft kamen alte Erinnerungen hoch, die viel stärker waren als das Hier und Jetzt.

Ich habe meinen Schülern geraten sich genauso hinzusetzen, sich so zu bewegen und sogar zu atmen wie der alte Mensch mit dem sie in diesem Moment Kontakt aufnahmen. Wenn sie etwas gesagt haben, sollten das gleiche sanft wiederholen. Damit konnten die Clowns die Tür in das Universum dieser alten Menschen einen Spalt weit öffnen und eine Verbindung herstellen, die für beide, den Clown und den alten Menschen zu einer berührenden Begegnung wurden. Diese einfühlsame Annäherung erlaubte dann im nächsten Schritt ein Zusammenspiel, wobei sie sogar die Senioren in ihre clowneske Aufführung miteinbeziehen konnten.

Ähnliche Erfahrungen machen wir auch in der Arbeit mit verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen oder körperlich und geistig behinderten Menschen.

Aber auch in ganz normalen alltäglichen Begegnungen sollten man diesen Schritt der Annäherung nicht auslassen.

Vielleicht hältst Du das noch für übertrieben und sogar für Zeitverschwendung. Dann frag Dich doch bitte mal, wie viel Zeit wir oft dafür aufwenden müssen, um schon nach der ersten Begegnung Missverständnisse, Abwehrverhalten oder mühsame Kontaktaufnahmen zu klären.

Es geht immer darum sich erst einmal einzufühlen und dann langsam zu der inneren Instanz vorzudringen die sich oft hinter Verletzungen, Vorurteilen, Ängsten und Abwehrverhalten versteckt hält.

So wird jede Begegnung und jedes Gegenüber auch zu einem Spiegel für Dich selbst.

Sei neugierig und freu Dich auf das Geschehen und auf die Personen denen Du begegnest. Fühle die Begegnung. Spüre körperlich den Inhalt und den Wert den dieser spezielle Kontakt für Dich bereit hält. Lass Dir selber die Zeit Dich einzustellen. Damit verhinderst Du auch, dass Du dich zu sehr verausgabst oder eine Energie einsetzt, die in dieser Situation überhaupt nicht adäquat ist.

Lerne Deine Energie auf den Moment auszurichten.

Indem Du dich auf Dein Gegenüber einstellst, kannst Du dein eigenes Auftreten und Verhalten so koordinieren, dass es beim anderen auch wirklich ankommt. Dann brauchst Du auch keine Angst mehr haben, den anderen mitziehen, bedienen, überzeugen oder sogar manipulieren zu müssen

Aus meiner langjährigen Tätigkeit als Trainer und Dozent bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass ich den Menschen nur beibringen kann was sie schon wissen. Deswegen schlage ich Dir vor:

Finde heraus was die anderen wissen!

Die Technik der Imitation bietet Dir nicht nur eine spielerische Möglichkeit nachzuvollziehen in welcher Welt der andere lebt, sondern auch eine unmittelbare Chance an dieser Welt teilzuhaben und darauf einzuwirken.

Wenn Du erkennst was der andere weiß, kannst Du ihn ausbilden indem Du von ihm lernst.

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