Ich bestimme - Du machst

Eine einfache Statusspielregel, die sogar richtig Spaß machen kann.
Einziges Problem: Nicht jedem gefällt das und nicht jeder will das. Vor allem wenn sich ein ganz bestimmtes Gefühl einschleicht: „Hier will einer Macht über mich ausüben und ich will mich nicht bestimmen lassen.“
Aber muss das dann gleich zum Streit führen?
Überall da wo Statusverhältnisse vorherrschen, das ist zum Beispiel bei Eltern und Kindern, Lehrern und Schülern, Chefs und Angestellten der Fall, kann diese einfache Spielregel sehr schnell im Konflikt enden und mühsame Auseinandersetzungen nach sich ziehen.
Um Dir einen Eindruck zu vermitteln, wie das Statusspiel mit Kindern und Jugendlichen aussehen kann und wie Du als Clown die Statusspielregeln so einsetzen kannst, dass es nicht zum Streit kommen muss, möchte ich Ihnen eine kleine Anekdote erzählen.
Ich erinnere mich an eine besonders eindrückliche Erfahrung mit einem kleinen Jungen, den ich bei einem Auftritt in einer Grundschule kennengelernt habe. Schon während meiner Vorführung fiel der Knabe dadurch auf, dass er es die ganze Zeit auf meine Requisiten abgesehen hatte und immer wieder dazwischengerufen hat. Es hatte den Anschein, als ob die Erzieherinnen die Clown-Vorführung mehr als Gelegenheit verstanden haben, sich eine vollverdiente Pause zu gönnen, als die Kinder zu betreuen. Dadurch stand ich mit der Situation ziemlich allein da und rettete mich dadurch, dass ich dem "Störenfried" immer wieder wichtige Aufgaben innerhalb des Spiels zuteilte wie die Funktion eines Pfostens beim Seiltanz oder die Rolle des Kapellmeisters beim Betätigen des Cassettenrecorders.
Zum wirklichen Zusammenspiel kam es allerdings erst nach der Aufführung.
Es stellte sich heraus, dass das Kind bei den Erzieherinnen als Raufbold galt und in der Gruppe abwechselnd gefürchtet oder abgelehnt wurde. Dementsprechend war auch sein Auftreten mir gegenüber. Zunächst setzte er das "Ich-klaue-dir-deine-Requisiten" Spielchen fort und ging dann dazu über, mich zu beschimpfen. Erst als ich wieder die Nase aufsetzte und ihn mit großen Clownsaugen anschaute, konnte ich seine Aufmerksamkeit gewinnen und ihn davon abbringen den Rest meiner Requisiten in der Turnhalle zu verteilen. Es war zu erwarten, dass er es zuerst auf meine Nase abgesehen hatte. Nur mein jämmerliches Clownsjaulen hat ihn davon abgebracht. Tatsächlich fing er selber an zu jaulen, sodass wir zusammen in ein kurzes Jaulkonzert einstimmen konnten. Damit war das Eis gebrochen.
In der Folge begann er mich herumzukommandieren, und schickte mich abwechselnd mal in die eine und dann wieder in die andere Richtung. Selbstverständlich befolgte ich die Anweisungen meines Hochstatus. Die Art und Weise, was das Tempo und Varianten der Fortbewegung eines Clowns betrifft, überraschten den kleinen Mann allerdings derart, dass er vor Lachen seine Anweisungen vergaß. Mittlerweile waren auch die anderen Kinder aufmerksam geworden, diesmal in Begleitung der Erzieherinnen, und interessierten sich für das kleine Schauspiel. Einige Kinder standen mir dadurch zur Seite, dass sie mir noch viel verrücktere Varianten der Fortbewegung vormachten. Je dümmer ich mich anstellte, desto waghalsiger wurden meine Lehrer. Der kleine Junge, der das Spiel mit mir in Gang setzte, behielt die ganze Zeit die Führung. Immer wieder lenkte ich die Aufmerksamkeit zu ihm indem ich ihm Fragen stellte und zwei andere Kinder als Gehilfen von ihm ernannte.
Nach einiger Zeit gab ich ein jämmerliches Clownsjaulen und Wimmern von mir, bis mich die Kinder fragten was mit mir los sei. Nach einigem Zaudern gab ich bekannt, vor allem an "meinen Hochstatus" gerichtet, dass ich nach Hause müsste und ohne ihre Hilfe und niemals alle meine Sachen einsammeln und ins Auto bringen könnte. Es verstand sich von selbst wer die ganze Prozedur überwachte und dafür sorgte das ich losfahren konnte. Mit großem" Clowns-Aufwiedersehen" machte ich mich auf den Weg.
Auch wenn dieses kleine Intermezzo mich etwas Zeit gekostet hat, bevor ich losfahren konnte, war das Gefühl nach Hause zu fahren an diesem Tag besonders schön. Wahrscheinlich hätte ich auch nicht weniger Zeit gebraucht den kleinen Jungen zu überreden oder ihm zu drohen und schließlich die Erzieherinnen einzuschalten damit ich meine versteckten Requisiten wiederfinde. Wie in allen anderen Beziehungsspielen folge ich auch im Statusspiel dem Fluss. Und der war in dem Fall eindeutige das „Angebot“ der Tiefstatus zu sein und alles zu machen, was das Kind wollte. Die Vorstellung, dass wir die Führung und die Kontrolle verlieren, wenn wir das Sagen an diesen kleinen Mann abgeben, missversteht das eigentliche Bedürfnis des Kindes. Es geht eben nicht um Macht oder Ohnmacht, sondern einfach nur darum beantwortet werden. Aus diesem Grund ließ sich der Junge auch auf ein Zusammenspiel ein. Obwohl ich im Grunde das Spiel gelenkt habe, indem ich entsprechend der Statusspielregeln durch Fragen und Bedienen das Spiel genau da hinführte, wo ich hinwollte.
In meiner Clownschule widme ich dem Status einen ganzen Spielraum. Ich nenne ihn den 3. Raum des Lachens.
Im Status erfahren wir, dass wir immer zu zweit auftreten. Einem der oben ist und einem der unten ist. Deswegen spricht man auch von Hochstatus und Tiefstatus. Daran knüpfen sich dann auch die entsprechenden Verhaltensweisen. Entscheiden ist, dass ein Clown daran nie das Gefühl von Macht oder Ohnmacht knüpft und deswegen spielerisch von einer Rolle und von einer Seite auf die andere wechseln kann.
Hier geht es nur darum, dass das Spiel im Fluss bleibt und nicht in einem falsch verstanden „Ich muss mich durchsetzen“ und „Das lass ich mir nicht bieten“ stecken bleibt.
Denn so entstehen Fronten, die am Ende beide Seiten zu Verlierer machen.