Warum sich Affen und Clowns nicht schämen

Waum sich Affen und Clowns nicht schämen

Wir Clowns haben schon einen merkwürdigen Beruf.

Das Beste was einem Clown passieren kann, ist: Kaum hat er die Bühne betreten, schon fangen alle an zu lachen. Er hat noch gar nichts gemacht und die Zuschauer krümmen sich vor Lachen.

Falls Dir das Gleiche morgens im Büro passiert, wenn Du die Tür aufmachst und sich alle Kollegen totlachen, in dem Moment wo sie Dich sehen, oder wenn Du Freunde besuchst und alle schon einen Lachkrampf bekommen, wenn Du nur das Zimmer betrittst. Das fühlt sich dann weniger gut an.

Wahrscheinlich bekommst Du einen roten Kopf, fragst Dich was Du falsch gemacht hast. Vielleicht schämst Du Dich auch und weißt noch nicht einmal wofür. Oder Du wirst ärgerlich und schimpfst, weil Du Dich ausgelacht fühlst.

Nichts davon verunsichert einen Clown. Egal wie komisch er aussieht, mit seiner roten Nase im Gesicht, seinen zu kurzen, zu engen oder zu großen Hosen und seinem tollpatschigen Auftreten. Ein Clown muss sich nicht schämen, nicht dafür wie er aussieht und nicht für das, was er tut. Er hat quasi einen Freibrief. Er scheitert und alle finden es gut!

Kein Wunder, dass viele davon träumen ein bisschen so unbeschwert und frei zu sein, wie Clown.

Unser sogenanntes „normales Leben“ wird davon bestimmt, bloß nicht etwas falsch zu machen, von der Angst nicht gut genug zu sein und von der Scham, wenn es die anderen mitbekommen.

Sich zu schämen ist eine unserer größten Spaßbremsen und der Grund dafür, warum wir so viel vitale Energie zurückhalten. Wir schämen uns dafür, dass wir zu groß sind, zu klein sind, zu dick sind, zu dünn sind, zu laut, zu leise, zu dumm, zu schlau, dass wir zu schwarz sind, zu weiß sind, und nicht zuletzt zu sexuell oder zu wenig sexuell.

Sex sells

Ja, es ist tatsächlich kaum zu glauben:

Witze über Scham im Zusammenhang mit Sexualität, sexuelle Anspielungen und entsprechend übertriebene Manöver und Aktionen funktionieren immer wieder, auch heute noch. Egal welches Alter, welche Herkunft, Bildung etc. Und wenn sie nicht funktionieren, weil keiner reagiert, sich alle schamvoll bedeckt halten, oder scheinbar „damit gar nichts zu tun haben“, funktionieren sie gerade deswegen.

Warum ist das so? Warum spielt Scham eine so große Rolle?

Ich erinnere mich an eine Situation am Badesee. Meine Frau und ich lagen auf einer Decke am Badesee und genossen das schöne Wetter. Neben uns lagen zwei Frauen die sich unterhielten. Plötzlich kam ein kleiner Junge nackt aus dem Wasser gesprungen und rannte freudig auf die beiden Frauen zu, wobei die eine der Frauen offensichtlich seine Mutter war. Triumphierend präsentierte sich das kleine nackte Männlein vor den Frauen und schüttelte übermütig sein Zipfelchen.

Was da so lustig zwischen den Beinen des kleinen Jungen zappelte, brachte die beiden Frauen völlig aus der Fassung. Mit hochrotem Kopf zischte die Mutter den kleinen Jungen mit den Worten an: „Mach das sofort weg!“ Völlig verwirrt und im Schock über die Reaktion seiner Mutter beendete das Kind sofort seinen mutigen Auftritt, rannte weinend weg und vergrub sich und sein kleines Körperchen schluchzend im Sand.

Direkt neben uns lief dieses dramatische und folgenreiche Schauspiel ab. Es war nicht unsere Aufgabe und auch nicht unser Recht uns hier einzumischen.

Gleichzeitig aber war uns klar, wie sich diese Erfahrung in dem kleinen Menschenhirn einprägen würde. Was das bewirken und hinterlassen wird. Sein Leben lang wird der Schock über seinen „ungehörigen“ Auftritt unbewusst in seinem Körper stecken bleiben. Wie lange wird es dauern, wenn überhaupt, bis er eines Tages als erwachsenen Mann sich wieder so mutig und lustvoll präsentieren wird, anstatt „es sofort wegzumachen“. Solche Erlebnisse prägen sich ein, kreieren ein Schuld- und Schamkonzept, dass uns blockiert und daran hindert lustvoll und kreativ zu werden.

Mangelnde Kreativität ist oft nur eine Frage von Scham, der Angst sich zu zeigen und dafür kritisiert zu werden wie man ist.

Über die Unschuld

Was mich an der Figur des Clowns so fasziniert und damit bis heute an meiner über 30jährigen Clownarbeit mit so vielen Menschen:

Es ist die Freude, Menschen wieder mit ihrer Unschuld zu verbinden, mit ihrer natürlichen Kraft und Kreativität und der Lust sich in ihrem Selbstausdruck zu spüren und zeigen. Denn es macht tiefen Sinn, wieder an unsere ursprüngliche Unschuld anzuknüpfen, anstatt uns von schamvollen Ängsten blockieren zu lassen.

An dieser Stelle möchte ich Euch von einer eindrücklichen Begegnung erzählen, die ich vor vielen Jahren auf dem berühmten Felsen von Gibraltar an der Südspitze der iberischen Halbinsel hatte.

An jenem besonderen Ort, wo Europa und Afrika sich am nächsten sind, hält das Vereinigte Königreich Großbritannien noch heute eine britische Übersee-Enklave unter ihrer Kontrolle. Dieser militärisch natürlich wichtige Stützpunkt bietet für die Besucher aber noch eine andere wesentliche Attraktivität. Dabei handelt es sich um eine Gruppe freilebender Affen, die dort traditionsmäßig leben und dem Ort auch den Beinamen "Affenfelsen" bescheren. Die geduldeten Besucher dürfen über eine Absperrung hinweg hinunter zu der Affenhorde schauen. Schon von weitem fiel mir auf, wie fasziniert die Menschen ihre ehemaligen Artgenossen beobachteten.

Davon unbeeindruckt saßen die Affen eng zusammen, lausten sich ihr Fell und leckten sich gegenseitig ab, ohne irgendeine Stelle ihres Körpers auszulassen. Die Besucher schauten gebannt, fast wie im Schock auf dieses Schauspiel, während sich die Affen ungestüm über den Boden rollten und sich ihrem lustvollen Dasein hingaben.

In diesem Moment wurde mir klar, wie sehr wir von der Erfahrung der Unschuld entfernt sind, und wie das Gefühl von Schuld und Scham die Menschen von ihrem kreativen Selbstausdruck trennen kann.

Ich hatte das Gefühl, als ob auch die übrigen Besucher, wenn auch unbewusst, diesen Verlust ihrer natürlichen eigenen Unschuld wahrnahmen. Wie ein fernes Echo tönte die Erinnerung an eine ursprüngliche Freiheit und Verbundenheit über die Absperrung hinauf zu den Menschen und gerade an diesem Ort verstand ich mehr denn je, auf welcher Seite des Käfigs wir eigentlich stehen.

Gleichzeitig erlaubte ich mir die Frage, ob es wirklich nur militärische Überlegungen waren, die das britische Königreich dazu veranlasst hat, diesen letzten Stützpunkt, - natürlich in sicherer Entfernung von ihrem eigentlichen Stammland -, aufrecht zu erhalten.

Bleibt also zu hoffen, dass die Affen von Gibraltar uns noch lange an unsere unschuldige Herkunft erinnern. Bevor auch sie durch das Füttern der Besucher den Impuls aufgeben werden, für sich selber zu sorgen und sich so zu verhalten wie sie natürlicher Weise sind, und zu domestizierten Haustieren mutieren.

Jetzt wisst Ihr, warum sich Affen und Clowns nicht schämen!

 

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